Lavatanssit – ein finnischer Sommerabend im Tangoschritt

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Als wir an diesem verregneten Sonntagnachmittag auf den Parkplatz des Tanzlokals Hirvensuuli im finnischen Huittinen biegen, erwartet uns direkt die erste Überraschung: Es ist proppenvoll und wir haben zunächst Schwierigkeiten, überhaupt einen Parkplatz zu finden. Ob es wohl daran liegt, dass heute am supersunnuntai, also Supersonntag, extra lange gespielt wird und unter anderem ein ehemaliger Tangokönig auftritt? Für 17 € Eintritt pro Person sind wir dabei. Es gibt einen Stempel auf die Hand und schon sind wir bereit, uns unters Volk zu mischen.

Verschiedene Gruppen sorgen beim Lavatanssit für die passende Musik.

 

Während im Eingangsbereich noch einige Damen darauf warten, zum Tanz aufgefordert zu werden, schieben sich zahlreiche Paare bereits zu den Klängen finnischer Tangomusik über die Fläche. Wir suchen uns eine Lücke, aber auf der Tanzfläche ist es so voll, dass Zusammenstöße kaum zu vermeiden sind. Schnell wird uns klar, dass den europäischen Standardtango, den wir in Deutschland gelernt haben, hier niemand tanzt. Um im Fluss der Menschenmenge im wörtlichen Sinne nicht aus der Reihe zu tanzen, versuchen wir, unsere Schritte anzupassen: langsam – langsam – schnell – schnell. Dieser Rhythmus wird uns an diesem Abend noch häufig begleiten.

Neben Kari Hirvonen, dem Tangokönig des Jahres 2003, tritt die Gruppe Helminauha auf. Es wird jeweils 45 Minuten gespielt, dann wird gewechselt. Wenn der Tangokönig gerade nicht auf der Bühne steht, bilden sich schnell Schlangen von Fans, die für ein Foto oder Autogramm anstehen. Üblicherweise werden beim Lavantanssit immer zwei Lieder im selben Musikstil hintereinander gespielt. Unter anderem werden heute langsamer und Wiener Walzer, Rumba, Jive und Humppa getanzt. Der absolute Liebling neben Tango ist aber eindeutig Foxtrott bzw. Fusku. Ersteren haben wir in unserer lokalen Tanzschule gelernt, sodass wir uns anfangs im Foxtrott um die Tanzfläche bewegen. Das ist gar nicht so einfach, denn in der Mitte tanzt ein großer Teil der Gäste lieber Fusku und wir müssen uns um die Paare herumschlängeln. Für ausgefallene Figuren bleibt da kaum Platz.

Irgendwann möchten wir Fusku dann auch ausprobieren. Dieser Tanz wird im Foxtrottrhythmus getanzt, allerdings bewegt man sich dabei nicht durch den Raum, sondern bleibt an seinem Platz. Die schnellen Schritte werden als Wiegeschritt nach hinten getanzt. Da Fusku (im Englischen bekannt als Single-time Swing) dem Jive stark ähnelt, können wir unsere bei diesem Tanz gelernten Figuren direkt einbringen. Vermutlich fällt es gar nicht auf, dass wir uns heute zum ersten Mal an Fusku versuchen. Bei unserem Humppa dagegen bin ich mir nicht so sicher – zwischendurch habe ich das Gefühl, ich tanze gerade Samba zu einer völlig anderen Musikrichtung.

Mit seiner Dekoration, der leicht schiefen Tanzfläche und Eimern an der Wand beschriftet mit der Bitte, gebrauchte Kaugummis doch in diese zu entsorgen und nicht auf den Boden, hat das Hirvensuuli seinen ganz eigenen Charme. Dazu trägt zweifellos auch der Würstchenstand vor dem Eingangsbereich bei, an dem man sich während eines durchgetanzten Abends stärken kann.

Kaugummieimer am Rand der Tanzfläche.

 

Den Abschluss (wie auch den Auftakt) beim Lavatanssit bildet häufig Walzer. Als dieser angestimmt wird, haben viele das Tanzlokal bereits verlassen und wir können uns endlich frei bewegen. Das Publikum fordert noch eine Zugabe und bekommt natürlich seinen Viimeinen valssi. Als wir gegen 21 Uhr nach etwa drei Stunden Tanzen das Gebäude verlassen, hat es aufgehört zu regnen. Auf unserem Heimweg können wir also entspannt der Sonne entgegenfahren und den Abend in Gedanken Revue passieren lassen. Es ist eine interessante Erfahrung zu sehen, dass andernorts teilweise ganz andere Tänze als in Deutschland beliebt sind oder in einem anderen Stil getanzt werden.

Der Homepage des Hirvensuuli ist zu entnehmen, dass dort am 30.07.23 zum letzten Mal Lavatanssit stattgefunden haben. Unser erster wird vermutlich auch unser letzter Besuch gewesen sein. Zum Glück gibt es in Finnland vor allem im Sommer noch viele weitere aktive Tanzlokale, die auf uns warten.

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