Auf Polarlichtjagd

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Es ist Nacht, irgendwo auf einem einsamen Fjell in Lappland. Um uns herum herrscht absolute Stille, die nur unterbrochen wird durch das Rascheln unserer Kleidung und dem Klicken, wenn unsere Spiegelreflexkameras auslösen. Eine knisternde Kälte umhüllt uns, das Thermometer zeigt minus 16 Grad – ohne Windchillfaktor. Zwischendurch hüpfen wir oder machen andere Gymnastikübungen, um uns warm zu halten. Um die Kameraeinstellungen zu ändern, muss man die Fäustlinge ausziehen. Die entblößten Hände schmerzen in dieser winterlichen Kälte. Was genau tun wir hier eigentlich?

Warten, frieren und hoffen im Urho-Kekkonen-Nationalpark. ©Bild: Jana Kloster

 

Viele Skandinavienreisende werden sich in dieser Beschreibung wohl schon wiedererkannt haben. So oder ähnlich beginnen viele Berichte über die Jagd nach dem Polarlicht. Aber das ist nur ein Teil der Wahrheit.

Jeden Winter reisen viele Touristen in die Gebiete nördlich des Polarkreises in der Hoffnung, Aurora borealis wenigstens ein Mal mit eigenen Augen sehen zu können. Die Vorstellung wird häufig geprägt durch die überall verbreiteten Postkartenmotive. Intensive Farbbänder von grün bis violett schlängeln sich bevorzugt über einem See oder einer Bergkette. Auch auf Buchungsportalen und in Reisekatalogen findet sich kaum eine Unterkunft, die nicht mit spektakulären Aufnahmen von Polarlichtern direkt vor der Haustür aufwartet.

Daneben sind Reiseführer gespickt mit gängigen Tipps, die es zu beachten gilt. So soll man sich etwa einen möglichst dunklen Ort, vorzugsweise außerhalb der Stadt und fern von künstlichen Lichtquellen, suchen. Dabei soll ein freier Blick auf den Himmel Richtung Norden gegeben sein. Besonders geeignet sind Nächte um Neumond (der Mond könnte sonst alles überstrahlen) herum und natürlich soll es klar sein. Da sich das Auftauchen der Polarlichter nicht genau vorhersagen lässt, soll man sich warm genug anziehen, um während des Wartens nicht auszukühlen. Will man das Spektakel auf Fotos bannen, ist ein Stativ vonnöten, damit die Aufnahmen bei langer Belichtungszeit nicht verwackeln.

Soweit zur Theorie. In der Realität kann sich das Ganze durchaus anders gestalten.

Meine allerersten Polarlichter habe ich im Zentrum von Rovaniemi gesehen. Dort war es weder so dunkel noch annähernd so einsam wie auf besagten Postkarten. Zusammen mit Touristen aus aller Welt stand ich am Ufer des Kemijokis und bewunderte das Schauspiel. Tauchte ein besonders intensiv leuchtendes Licht auf, lachten und jubelten die Menschen vor Freude. Ein Stativ hatte ich nicht dabei, und so musste kurzerhand eine Mauer aus Schnee herhalten, was den Umständen entsprechend passable Fotos lieferte.

Polarlichter im Zentrum von Rovaniemi fotografiert

 

Nicht jeder hat bei seinem ersten Besuch im hohen Norden so viel Glück. Manchmal sind die Polarlichter schüchtern und zeigen sich nur als schwach grünlicher Schleier, der mit ungeübtem Auge schwer unterscheidbar von Wolken ist. Ich habe schon Aussagen gehört, dass die Polarlichter nicht so besonders wären oder die typischen Fotos gephotoshopt sein müssen. Natürlich sind Polarlichtfotografien nachträglich bearbeitet und erst durch Langzeitbelichtung werden Eindrücke sichtbar, die mit bloßem Auge nicht wahrnehmbar sind. Nichtsdestotrotz, wirklich intensive Polarlichter kommen den allseits verbreiteten Aufnahmen doch nahe. Zudem kann kein Foto der Welt richtig vermitteln, wie es ist, wenn der Himmel über einem plötzlich taghell aufflammt oder wenn die Lichter den Anschein erwecken, auf einen herabzurieseln.

Manchmal zeigen sich Polarlichter nur als schwaches Leuchten. Aufgenommen in Ivalo

 

Im Laufe der Jahre haben wir Polarlichter schon in allen möglichen Formen und unter verschiedensten Umständen zu Gesicht bekommen. Das reichte vom Klischee einer einsamen Nacht in den Fjells inklusive pink tanzender Aurora bis hin zum totalen Gegenteil. Meine Freundin Jana und ich scheinen ein Talent dafür zu haben, Polarlichter an unmöglichen Orten beobachten zu können. So verbrachten wir zum Beispiel die Nacht auf einem Campingplatz im schwedischen Piteå. Anstelle einer malerischen Umgebung bot sich uns von dort der Blick auf nahe gelegene Hochhäuser und eine Fabrik, also Lichtverschmutzung vom Feinsten.

Polarlichter über Piteå (Schweden). ©Bild: Jana Kloster

 

Ein anderes Mal spazierten wir im norwegischen Alta Richtung Wasser und gelangten gerade in ein Industriegebiet, als uns die Polarlichter überraschten. Mangels Stativs musste Jana improvisieren, aber ironischerweise entstanden bei dieser Gelegenheit mit die besten Polarlichtfotos der Reise. Oft genug hatten wir das Glück, tatsächlich nur kurz vor die Tür unserer Unterkunft treten zu müssen, um die Lage am Himmel einschätzen zu können.

Manchmal ist Improvisationstalent gefragt.

 

Polarlichter von einem Industriegebiet in Alta (Norwegen) aus fotografiert. ©Bild: Jana Kloster

 

Wer sich das Leben etwas erleichtern möchte, kann auf seinem Telefon eine App installieren, die eine Benachrichtigung herausgibt, sobald die Wahrscheinlichkeit für Polarlichter hoch ist. Daneben kann man sich während einer Finnlandreise auf den Seiten des Finnischen Meteorologischen Instituts auf dem Laufen den halten.

Aber auch bei gründlichster Vorbereitung und unter perfekten Rahmenbedingungen gilt: Aurora borealis ist eine launische Diva und entscheidet selbst, wann, wo und wie lange sie sich zeigen möchte.

©Beitragsbild: Jana Kloster

Das Weltraumwetter kann man sich unter folgenden Links ansehen:

Finnish Metereological Institute

ISES RWC Finland

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