August in Kokemäki

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Sommer 2019: Heiß war es, zumindest zu dem Zeitpunkt, als wir bei 30 °C in Düsseldorf in den Flieger stiegen. Zweieinhalb Stunden später sah die Sache schon etwas anders aus.  Da standen wir nun abends um halb elf in unseren T-Shirts und kurzen Hosen im Parkhaus am Flughafen Helsinki-Vantaa und froren. Das ging ja gut los.

Ziel des Ganzen war es, unseren Sommerurlaub in Kokemäki bzw. Tuomaala zu verbringen. Noch nie davon gehört? Ging mir genauso, bis Risto in mein Leben getreten war. Deswegen saß ich nun mit ihm auf der Rückbank im Auto seiner Eltern und ließ die Sache auf mich zukommen. Ich hatte mir bisher immer einen Spaß daraus gemacht, ihn damit zu necken, dass er vom Dorf stammt. Ob das Bild, das ich mir ausgemalt hatte, wohl der Realität entsprechen würde?

Nach weiteren zweieinhalb Stunden Autofahrt befanden wir uns in der Region Satakunta. Schließlich bogen wir von der asphaltierten Straße auf einen Sandweg und fuhren ins Dunkle. Die in den Jahren 2002 und 2003 im Zentrum des Dorfes Tuomaala installierten Straßenlaternen waren zumindest in dieser Nacht nicht eingeschaltet. Eine nähere Betrachtung der Umgebung musste also bis zum Tagesanbruch warten.

Der Blick aus dem Fenster am nächsten Morgen offenbarte, dass wir direkt auf den kleinen Wald hinter Ristos Elternhaus schauten. Schon toll, wenn die Blaubeeren praktisch im Garten wachsen und nur darauf warteten, von uns gepflückt zu werden. Ein Nachteil ist allerdings, dass ich es nicht mehr übers Herz bringe, Kulturheidelbeeren aus Peru im Supermarkt zu kaufen, seit ich die selbstgepflückten aus dem eigenen Wald gekostet habe. Und auch Birken gab es reichlich, aus deren Zweigen wir uns Quasten für den Saunagang basteln konnten. Saunieren ohne die unsinnigen Regeln, die in deutschen öffentlichen Saunen herrschen, um danach frisch geduscht mit einer Dose Bier im Garten in der Abenddämmerung zu sitzen – herrlich!

Auf unseren Spaziergängen durch das Dorf lernte ich wichtige neue Vokabeln kennen: ohra, vehnä, ruis und kaura – zu Deutsch Gerste, Weizen, Roggen und Hafer. Davon gediehen große Mengen, so weit das Auge reichte. Außerdem stand in unmittelbarer Nähe des Hauses ein Kartoffellager, das allerdings leer war, da sich die Knollen noch auf den Feldern befanden. Die Dorfmitte sieht übrigens so aus, dass sich zwei Sandstraßen kreuzen. Aber zumindest haben sie dort eine eigene Grundschule.

Das Stadtzentrum von Kokemäki, zu dem Tuomaala gehört, liegt eine Autofahrt von wenigen Minuten entfernt. Dort gab es einiges für mich zu entdecken, aber ich hatte ja einen Ortskundigen an meiner Seite. Wir spazierten den gleichnamigen Fluss Kokemäenjoki entlang und über die Museumsbrücke, eine Bogenbrücke aus Stahlbeton und eine der ältesten ihrer Art in Finnland.

Eine weitere Sehenswürdigkeit ist die Kapelle und das Gebetshaus von Finnlands Nationalheiligem Bischof Heinrich, mit dem es leider kein gutes Ende nahm: Der Legende zufolge verbrachte er hier seine letzte Nacht, bevor er vom Bauern Lalli erschlagen wurde. In Kokemäki spielt der Heilige noch heute eine Rolle: Das Wappen der Stadt ziert Heinrichs Bischofsmütze auf blauem Grund.

Im Zentrum befindet sich das Strommuseum mit integriertem Café, in dem wir uns mit hausgemachtem Saft und Kuchen stärkten und Risto einen Plausch mit der Inhaberin darüber hielt, dass es zuletzt keine schönen Postkarten mehr von Kokemäki gab. Am Abend genossen wir den Sonnenuntergang an der Säpilän riippusilta, einer Holzhängebrücke, die nach ihrer Instandsetzung gerade erst im Mai 2019 wiedereröffnet worden war.

Auch Naturfreunde kommen voll auf ihre Kosten. Unweit der Stadt lässt sich der 1993 gegründete Nationalpark Puurijärvi ja Isosuo erkunden. Dessen Sumpf- und Feuchtgebiete werden gerne von Vögeln aufgesucht, die sich mit etwas Glück von den eigens dafür aufgestellten Türmen beobachten lassen.

Wir nutzten das warme Sommerwetter, um am Badestrand des Freizeitzentrums Pitkäjärvi im See schwimmen zu gehen. „Warm“ hieß in diesem Fall um die 20 °C und im Verlauf unseres Urlaubs kühlte es weiter ab. Wie heißt es so schön, der finnische Sommer ist kurz, aber schneearm.

Da ich Rentiere sehr niedlich finde, hat mir ein Besuch bei Kriivarin porotila besonders gefallen. Manchmal muss man gar nicht so weit in den Norden reisen, um Rentiere zu sehen. Gegen ein kleines Trinkgeld durften wir mit dem Besitzer in das Rentiergehege und konnten uns allerlei Interessantes über die Tiere erzählen lassen. Vor allem weiß ich nun, dass sich kleine Rentierkälber genauso flauschig anfühlen, wie sie aussehen.

Dank seiner Lage bietet sich Kokemäki als Ausgangspunkt an, um weitere Städte in Südwestfinnland zu besichtigen. So sind Rauma, Pori und Tampere gut mit dem Auto, Reisebus oder Zug zu erreichen. Ja, es fahren Züge durch Kokemäki, davon habe ich Großstadtkind mich auf dieser Reise überzeugen lassen. Und ich bin mir sicher, längst noch nicht alles gesehen zu haben, was die Region zu bieten hat. Daher freue ich mich, wenn es hoffentlich bald wieder heißt:

Koe Kokemäki – sen joki ja väki (Erlebe Kokemäki – seinen Fluss und sein Volk)

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