Ich hatte schon, bevor ich nach Deutschland zog, Deutsch gelernt und darüber auch die deutsche Esskultur kennenlernen können, sodass ich teilweise wusste, was mich erwarten würde. Im Zusammenhang mit meinen ersten in Deutschland verbrachten Urlaubswochen machte ich weitere Beobachtungen. Ich lernte ein Erfrischungsgetränk kennen, von dem ich noch nie zuvor gehört hatte: Apfelschorle. Außerdem bemerkte ich, dass die Menschen in Deutschland gerne Wasser oder sogar Sekt mit verschiedenen Säften mischen. In Finnland war ich vor allem daran gewohnt, dass Kinder manchmal Getränke miteinander mischen und ausprobieren, wonach sie schmecken, aber ich hatte noch nie gesehen, dass Erwachsene das tun.
Generell wird behauptet, dass die finnische und deutsche Esskultur sich nicht wesentlich voneinander unterscheiden. Man denkt, dass man in beiden Ländern Bier und das Grillen von Würsten mag. Das mag sicherlich zumindest teilweise stimmen. Vor allem an warmen und hellen Sommerabenden gehören Bier und Wurst sowohl in Deutschland als auch in Finnland fest zu Treffen im Familien- und Freundeskreis.
Als ich zum Wohnen nach Deutschland kam, ging das Kennenlernen von neuen Gerichten weiter. Vor allem die Regale der Lebensmittelgeschäfte und andererseits das Angebot der Universitätsmensa wurden allmählich vertraut. Anfangs habe ich überhaupt kein Essen vermisst, sondern konzentrierte mich auf die neuen kulinarischen Bekanntschaften. Ich bemerkte schnell, dass im Allgemeinen in Deutschland mehr Gewürze ans Essen kamen als in Finnland. Meiner Meinung nach kommt dieser Unterschied besonders gut bei Soßen zur Geltung, die in Deutschland vielseitiger sind als die in Finnland angebotenen, häufig sehr einfachen Soßen.
Die Namen vieler Gerichte – vor allem die regionaler Spezialitäten – sagten mir anfangs überhaupt nichts: Schupfnudeln, Germknödel, lollo rosso. Zudem war es amüsant Namen zu sehen wie „im Speckmantel“ oder „Kinderpunsch“, deren direkte Übersetzung ins Finnische sich seltsam anhört. Es war für mich dennoch eine Art Schock, als ich verstand, dass die Hauptspeise in Deutschland süß sein kann. In Finnland werden diese Sorten süßer Gerichte als Nachtisch und in merklich kleineren Portionen genossen. In der Mensa lernte ich den eben zuvor erwähnten Germknödel kennen, zu dem Vanillesoße serviert wurde. Zur gleichen Mahlzeit gehörte noch zumindest Tomatensuppe und soweit ich mich erinnere auch Salat. Da war ich erst einmal baff. Ich wusste nicht recht, in welcher Reihenfolge und wie man das Gericht essen sollte.
Im Laufe der Jahre sind mir einige weitere Dinge aufgefallen. Zur finnischen Essenskultur gehört für mich als wesentlicher Teil, dass jeder Esser sich selbst nimmt, was und wie viel er will. In Deutschland wiederum wird es als höflich empfunden, anderen zu servieren. Ich habe in dem Zusammenhang viele Beispiele. Der Kuchen ist fertig geschnitten, wenn er angeboten wird. Der Salat ist zusammen mit dem Dressing fertig gemischt. Die Sache bemerkt man spätestens dann, wenn man den Tisch untersucht: Auf einem finnischen Esstisch findet sich häufig eine Flasche Salatsoße, sodass jeder sie nach Belieben über den Salat kippen oder es bleiben lassen kann. Möglicherweise werden auch alle anderen Zutaten des Salats separat angeboten, wobei sich jeder quasi seinen eigenen Salat zusammenstellen kann. In Deutschland hingegen werden sowohl die Salatzutaten als auch das Dressing vor dem Servieren fertig vermischt.
Eine ganz andere Sache ist dann noch, wie gewisse Speisen aufgefasst werden und auf welche Art sie gegessen werden. Wenn wir bei den Kuchen bleiben kann ich noch erwähnen, dass die Menschen in Finnland es gewohnt sind, mit Sahne überzogene Kuchen mit einem Löffel zu essen, während in Deutschland die Kuchen normalerweise „trockener“ oder mit Hilfe von Gelantine zubereitet sind und mit Kuchengabeln gegessen werden.
Eine interessante Sache ist auch, dass sich in Deutschland die Kaffee- und Teezeit mit Kuchen und anderem Gebäck auf die späten Stunden des Nachmittags beschränkt. Besonders gut merkt man das im Zusammenhang mit Feiern, die für gewöhnlich am Nachmittag beginnen. Zuerst ist Zeit für Kaffee und Kuchen, während warmes Essen am späten Abend angeboten werden kann. In Finnland herrscht eine gewisse ungeschriebene, goldene Regel: zuerst Herzhaftes und erst danach Süßes. Es ist also ziemlich egal, wann die Feier anfängt. In Finnland wird den Gästen zuerst warmes Essen serviert und der süße Nachtisch sowie Kaffee folgen ein paar Stunden später. Ziemlich verbreitet ist auch ein solches Vorgehen, dass der größte Teil der Gäste das Fest direkt verlässt, nachdem der Kaffee getrunken ist.
Über meine Beobachtungen und Erfahrungen in Bezug auf das Verhalten der Menschen in unterschiedlichen Situationen erzähle ich gerne im nächsten Blogeintrag.
Liebe Miriam und Ristomatti,
macht Spaß zu lesen. Habe schon immer gerne Janas Blog gelesen, wenn ihr auf Reisen wart.
LG Gabi🐾
Liebe Gabi,
es freut uns, dass du unseren Blog gerne mitliest!
Viele Grüße
Miriam und Risto