Vesissä on eroja (Wässer sind verschieden) – mit diesem Slogan lockte ein gewisser Hersteller von Erfrischungsgetränken vor Jahren die Käufer in Finnland. Wenn ich jetzt viel später an diese Fernsehwerbung denke und mit meiner eigenen Erfahrung vergleiche, fühlt sich der Gedanke an Unterschiede in der Qualität von Wasser und anderen Getränken geradezu natürlich an.
Als ich in Finnland lebte, war ich von klein auf daran gewohnt, Wasser direkt aus dem Wasserhahn zu trinken. In Kokemäki ist das Trinkwasser meiner Auffassung nach schon immer von besonders guter Qualität gewesen, sodass man die Sache abgesehen von vielleicht wenigen Ausnahmen nie in Frage zu stellen brauchte. In meiner Familie wurde allerdings von Zeit zu Zeit auch mit Kohlensäure versetztes Wasser getrunken, das man in den 90er Jahren noch in kleinen Flaschen zu kaufen pflegte, die in Getränkekästen verkauft wurden. Diese vissykorit (Vichykästen), wie man das Wasser und auch die die Flaschen enthaltenden Kästen nannte, begannen allmählich aus den Läden zu verschwinden und Platz für größere Plastikflaschen zu machen.
In Finnland wird aus Wasser üblicherweise keine große Nummer gemacht. Wasser ist eine natürliche Sache, weil man es aus dem Hahn eingießen kann. Unnötiges Aufheben zu machen ist unnütz. Natürlich kann man Wasser mit anderen Getränken mischen, was ganz neue Geschmackserlebnisse ermöglicht. Als Kind mischte ich zum Wasser Saftkonzentrat, entweder selbst gemacht oder im Geschäft gekauft. Ich erinnere mich, dass ich ziemlich starke Getränke mochte, in denen wenig Wasser und viel Konzentrat war. Dünne Plörren kamen mir nie in den Sinn.
Dann kam die Zeit meiner ersten Deutschlandreise. Es war Ende Juni, Anfang Juli im Jahr 2002. Ich habe schon erzählt, wie ich Apfelschorle kennenlernte, aber auch das Trinken von Wasser stellte sich als interessante Erfahrung heraus. Als ein Bekannter mich fragte, was ich trinken möchte, und ich „Wasser“ antwortete, stellte er mir eine Frage, die ich ihn bat zu wiederholen, da ich nicht verstand, was er auf Deutsch von mir in Bezug zum Glas Wasser wissen wollte. Ich begriff nur, dass zur Frage zwei Alternativen gehörten, „mit oder ohne“. Etwas überrascht antwortete ich nur „ohne“, und verstand immer noch nicht, dass mein Bekannter in Erfahrung bringen wollte, ob ich mein Wasser mit oder ohne Getränkesirup trinken wollte.
Als nächstes klang das Getöse irgendeiner Maschine aus der Küche. Als es aufhörte und ich endlich ein Glas Wasser zu trinken bekam, probierte ich das Getränk und begriff, dass es reichlich Kohlensäure enthielt. In diesem Moment ging mir ein Licht auf, was die Frage betraf und was das Geräusch gewesen war. Ich hatte nämlich schon einige Tage lang das Leben einer deutschen Familie kennenlernen können und unter anderem bemerkt, dass das Wasser häufig Kohlensäure enthielt und dass es auch in diesem Jahrhundert noch häufig in Glasflaschen verkauft wurde. Außerdem war ich vielleicht schon dazu gekommen, mit Kohlensäure versetztes Wasser zu probieren, zu dem eine Art Sirup hinzugefügt worden waren. Allerdings wurde mir erst jetzt die Tatsache klar, dass, wenn in Deutschland die Rede von Wasser ist, normalerweise Sprudelwasser gemeint ist. In Finnland so wie in vielen anderen Ländern bedeutet „Wasser“ stilles Wasser und ist die Norm, während kohlensäurehaltiges Wasser extra erwähnt wird. In Deutschland ist die Sache andersherum.
Die Qualität des aus dem Wasserhahn kommenden Trinkwassers ist in Deutschland im Allgemeinen ausgesprochen hoch, sodass man es schon trinken kann. Trotzdem trinken es nur wenige – ich habe noch niemanden getroffen, der freiwillig Leitungswasser trinken würde. Ich trinke es selbst auch nicht, sondern bin zu kohlensäurehaltigem Wasser aus der Flasche übergegangen. Dieser Wandel begann allerdings schon, als ich noch bei meinen Eltern wohnte. Neuerdings ist diese Tendenz meiner Meinung nach auch in Finnland zu einem gewissen Grad zu beobachten. Die Auswahl an Wasser in den Geschäften ist größer geworden, und ich wage zu behaupten, dass auch die Beliebtheit von kohlensäurehaltigen Getränken – auch Sprudelwasser – allmählich zugenommen hat. Dennoch ist man in Finnland weit vom Verhalten deutscher Konsumenten entfernt.
Die Finnen kennen vielleicht die vielen verschiedenen deutschen Biermarken, aber dasselbe trifft auch auf Wasser zu: Das Markenbewusstsein spielt in einer ganz anderen Liga als in Finnland. Fast jede Stadt hat ihre eigene Wassermarke, sodass der Verbraucher auf eine große Auswahl zurückgreifen kann. Ich kenne viele Menschen, die treue Unterstützer einer bestimmten Marke sind. Die Wasserquellen sind sichtbar auf die Etiketten gedruckt, und viele Verbraucher in Deutschland sind auch bereit für den Kasten der „eigenen“ Lieblingsmarke den vielfachen Preis im Vergleich zu den sogenannten Billigmarken in Plastikflaschen zu zahlen. Die aus finnischer Sicht unpraktischen und altmodischen 0,7 L Glasflaschen sind in Deutschland vor allem in Kreisen derer, die hochwertiges Wasser schätzen, ein großer Schrei.
Dasselbe Qualitätsbewusstsein trifft auch auf andere Getränke zu, vor allem auf Bier. Es ist also nicht gleichgültig, was oder auf welche Weise man trinkt. Damit die Besorgung und der Transport hochwertigen Wassers und anderer Getränke kein Problem darstellen, gibt es in Deutschland die Praxis, das im Verbund der Märkte ein separater Getränkemarkt vorhanden ist, der normalerweise so gelegen ist, dass es einfach ist, von dort aus auch große Flaschenkästen zum Beispiel direkt zum Auto zu transportieren. Es lohnt sich also, sich für hochqualitatives Wasser Mühe zu geben, obwohl auch der Wasserhahn doch manchmal so praktisch ist…